Motorsport: Kylmäkorpi fährt bei Sandbahn-WM-Rennen bis zum Regen in eigener Liga – Die Menge feiert Riss – De Jong im Finale vorn

Von Sebastian Kapp

HERXHEIM. Eine Gruppe junger Männer mit Bollerwagen läuft die Landstraße nach Herxheim entlang. Das mag am Vatertag nicht ungewöhnlich sein. Doch vor ihr sind bereits die nächsten Gruppen. Fast wie Pilger bewegen sie sich auf ihrem Weg in den Ort. Je näher die Stadtgrenze rückt, umso dichter wird der Zug: Es ist Sandbahn-Rennen.

<text_1_absatz>Die Hoffnung auf einen guten Parkplatz stirbt mit jedem Meter. Herxheim ist voll. Proppenvoll. 16.500 Menschen werden den Weg ins Waldstadion finden, wo der erste Lauf der Motorrad-Sandbahn-Weltmeisterschaft stattfindet. In insgesamt fünf „Finals“ konkurrieren 14 Fahrer sowie pro Runde ein Wildcard-Fahrer um die Krone im Sandbahn-Motorsport.Das Prinzip ist simpel: fünf Fahrer, vier Runden (3852 Meter), der erste im Ziel ist der Sieger. Sieben Läufe (fünf Vorläufe, Halbfinale, Finale) kann ein Fahrer maximal absolvieren. Manege frei! Auf eleganten Seitenwagen werden die Fahrer eingefahren. Wie Gladiatoren im alten Rom winken sie der Menge und werden vorgestellt. Da ist allen voran Titelverteidiger Joonas Kylmäkorpi, Finne und Wahl-Schwede, weshalb für ihn beide Flaggen von den Grid-Girls geschwenkt werden. Die letzten vier Weltmeisterschaften hat er in Serie gewonnen. Auch der Niederländer und Vizeweltmeister Yannick de Jong gilt als Favorit. Unter den deutschen Fahrern stechen zwei Namen hervor: Lokalmatador Erik Riss, Clubfahrer der MSV Herxheim, 18 Jahre. Der Sohn des achtmaligen Weltmeisters Gerd Riss fährt heute seinen ersten WM-Lauf. Der Norddeutsche Jörg Tebbe war am vergangenen Wochenende in Scheeßel schwer gestürzt und hatte sich diverse Prellungen zugezogen. Sein Ziel: „Ins Halbfinale kommen.“Das Markierungsband wird gespannt, dann heulen die Motoren – die Vorrunde beginnt. Schon nach den ersten Läufen wird eines deutlich: Kylmäkorpi fährt in seiner eigenen Liga. Fast spielerisch gewinnt er jeden seiner fünf Vorläufe, nimmt den Fabelwert von 20 Punkten mit ins Halbfinale. Selbst missglückte Starts macht der Weltmeister auf der Strecke wieder wett. Mehr Probleme hat de Jong, der es gleich im ersten Rennen mit Riss und dem Franzosen Mathieu Tressarieu zu tun bekommt. Denn Erik Riss fährt ein sehr couragiertes Rennen, schafft es nach einem verpatzten Start zwischenzeitlich bis auf Platz zwei – noch vor de Jong. Doch am Ende fehlt ihm die Erfahrung, de Jong und Tressarieu ziehen wieder vorbei. Ähnlich ernüchternd startet auch Tebbe, wird in seinem ersten Lauf ebenfalls nur Vierter und profitiert dabei noch vom Ausfall des favorisierten Australiers Woodward, der nach weiteren schwachen Auftritten nach der Vorrunde ausscheidet.

Dann die Wende für die beiden Deutschen: Sie treten gegeneinander an und schaffen Platz 1 (Riss) und 2 (Tebbe). Danach kann Jörg Tebbe gar ein Rennen gewinnen, während Riss wieder und wieder mit seinen Überholmanövern dem Publikum den Atem stiehlt und sich mit zweiten und dritten Plätzen für das Halbfinale qualifiziert. Beide teilen sich vor den Halbfinals den dritten Platz mit 14 Punkten, hinter de Jong (16) und dem alles überragenden Titelverteidiger, an dem auch im Halbfinale kein Weg vorbei führt.

Im zweiten Halbfinale kann Riss sich endlich gegen de Jong durchsetzen und kommt hinter dem Tschechen Franc als Zweiter ins Ziel. Damit greift er sogar noch den zweiten Platz in der Gesamtwertung hinter Kylmäkorpi an.

Der Tagessieg ist wegen der besonderen Bedeutung des Finals aber noch vollkommen offen. Und das steht unter einem besonderen Vorzeichen: es regnet. Kylmäkorpi hat die vermeintlich schnelle Außenbahn gewählt. Doch der Start missglückt völlig, der Wahlschwede ist nur Vierter, noch hinter Riss, aber vor Tebbe, der dann doch seinen Blessuren Tribut zollen muss und weit zurück fällt. Am Ende hat der Niederländer de Jong die Nase vorn, vor Tresarrieu, und bekommt den Silberhelm. Riss kommt auf den dritten Platz. Das Publikum feiert den Rookie trotzdem wie den Sieger – und zieht mit den Bollerwagen wieder nach Hause. SPORT

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz – Pfälzer Tageblatt – Nr. 124
Datum Freitag, den 30. Mai 2014