Gespenstische Ruhe über dem Oval

Motorsport: Selbst wenn kein Rennen wäre, würden ein paar tausend Motorsportfreunde ins Herxheimer Waldstadion pilgern. Das meinte Edelbert Müller 2002. Damals ahnte keiner etwas von Corona. Weil das Sandbahnrennen morgen ausfällt, schlagen wir das Geschichtsbuch auf.

Von Joachim Rieder 
Herxheim. Am 5. Mai 1932 wurde die Tradition der Sandbahnrennen an Christi Himmelfahrt begründet. Am morgigen Donnerstag wird wohl eine gespenstische Ruhe über dem Oval im Herxheimer Waldstadion liegen. Es bleibt zu.Edelbert Müller ist der Vorsitzende der Motorsportvereinigung Herxheim. Das mit den paar tausend Motorsportfreunden, die am Vatertag so oder so ins Waldstadion pilgern, meinte er anlässlich des 100. Sandbahnrennens an Christi Himmelfahrt.

Der Ursprung der Herxheimer Sandbahnrennen geht zurück auf den kältesten Winter, der in unserer Region 1928/29 registriert wurde. Auf Initiative des Schmiedes Richard Eichenlaub wurde eine Gründungsversammlung einberufen und am 23. April 1929 der Motorsportclub Herxheim aus der Taufe gehoben. Das Hauptanliegen einer Schar junger Männer waren gemeinsame Ausfahrten und Geschicklichkeitsturniere mit ihren Motorrädern.

Im damaligen Waldstadion befand sich eine 1000-Meter-Grasbahn für Pferderennen. Die Sandbahn wurde nun innen in gleicher ovaler Form gebaut. Am 23. August 1931 wurde das „1. Pfälzische Erdbahnrennen“ veranstaltet. Im Jahr darauf begann die Tradition der Himmelfahrtrennen, die von Jahr zu Jahr größeren Zuspruch erhielten.

Erstmals internationalen Anstrich erfuhren die Herxheimer Rennen 1938 durch die Teilnahme von Europameister Martin Schneeweiß aus Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte dank des Engagements von Bürgermeister Franz Kuhn, der auch als erster Vorsitzender fungierte, am 26. Mai 1949 wieder gestartet werden. Das Herxheimer Rennen hatte nichts von seiner Anziehungskraft verloren, was die jährlichen Besucherzahlen belegten.

Im Mai 1954 wurde der „Goldhelm von Deutschland“ in Herxheim erstmals ausgefahren. Diese wertvollste nationale Trophäe wird jedes Jahr auf einer anderen Bahn ausgefahren Der damalige Geschäftsführer der MSVH, Ludwig Beiner, konnte den ADAC Pfalz überzeugen, in Herxheim den „Silberhelm der Pfalz“ als jährlichen Höhepunkt des Renntages auszuschreiben. Am 10. Mai 1956 setzte sich Fritz Dirtl aus Wien den ersten Herxheimer Silberhelm auf.

Bis Mai vergangenen Jahres sind 15 Gold- und 49 Silberhelme vergeben worden. Zwölfmal taucht in dieser Siegerliste der Name „Riss“ auf. Gerd Riss sammelte drei Gold- und acht Silberhelme. Sohn Erik gewann 2016 seinen bisher einzigen Silberhelm.

In den 1970er-Jahren keimte bei der MSVH der Wunsch auf, auch internationale Prädikatsläufe nach Herxheim zu holen. Dies scheiterte aber am Charakter der Bahn mit ihren beiden ungleichen Kurven. Damals sah das Reglement vor, dass WM-Läufe nur auf 1000-Meter-Bahnen mit gleichen Kurven austragen werden. So wurde mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz und der Gemeinde Herxheim mit Bürgermeister Elmar Weiler an der Spitze die „Sonder-sportanlage Waldstadion“ in die Wege geleitet.

Der 19. Mai 1977 war ein Meilenstein in die Geschichte der MSVH. Die Eröffnungsfeier und das erste Rennen auf der neuen 1000-Meter-Bahn wurden zu einem Motorsport-Festival. 28.000 zahlende Besucher sorgten für einen Rekordbesuch, der bis heute Bestand hat. Ein Jahr später, am 4. Mai 1978, wurde der erste WM-Lauf, ein Vorlauf mit Fahrern aus neun Nationen, gestartet.

Dieses Rennen bleibt aus verschieden Gründen besonders in Erinnerung. „In diesem Jahr hatte der Weltverband den Austragungsmodus geändert. Anstatt der üblichen neun Vorläufe, zwei Halbfinalrennen und Endlauf kam ein System mit 16 Fahrern, wobei jeder zweimal gegen jeden antreten musste, zur Austragung. Da es dadurch bei jedem Rennen Doppelstarter gab, Fahrer, die zweimal hintereinander starten mussten, verzögerte sich der Renntag. Die Siegerehrung konnte erst gegen 19 Uhr stattfinden“, erzählt Edelbert Müller.

Sieger des WM-Vorlaufes wurde Ivan Mauger aus Neuseeland. Und im Sonderlauf um den Silberhelm ging der Stern von Sieger Karl Maier aus Neufinsing am Bahnsporthimmel auf. Dem Herxheimer Fahrer Franz-Peter Bär ist dieser Renntag ebenfalls noch gut im Gedächtnis. Beim Finale der nationalen Soloklasse gab es unter den acht Teilnehmern ein Gerangel um die besten Startpositionen, Bär kam nicht los. Sein Glück: Es gab eine Wiederholung mit allen Fahrern, der Herxheimer konnte sich den zweiten Platz erkämpfen.

Zum Jubiläum 1979 erhielt die MSVH wieder den Zuschlag für einen WM-Lauf. Nachdem am Mittwoch bei bestem Wetter trainiert wurde, begann es am Morgen des 24. Mai dermaßen zu regnen, dass ein Abbruch unmittelbar bevorstand. Der damalige Vorsitzende Klaus Lechner machte unter den Funktionären schon eine Umfrage, wer am nächsten Tag, am Freitag, zur Verfügung stünde. Es war geplant, die WM-Rennen 24 Stunden später nachzuholen. Doch zum Glück ließ der Regen nach und ab 15.30 Uhr wurde das WM-Programm durchgezogen. Die Zuschauer hielten tapfer durch und sahen, wie Egon Müller den Goldhelm mit nach Kiel nahm.

Nach der Änderung der WM-Regularien mit der Abkehr von den 1000-Meter-Bahnen passte sich die MSVH den neuen Gegebenheiten an und baute im Winter 1998/99 eine Querspange in der Zielkurve ein. Das machte die Bahn wieder anspruchsvoller für die Fahrer. Mit der Einführung der WM-Grand-Prix-Serie wurde es auch möglich, an Himmelfahrt WM-Läufe zu präsentieren.

Am 24. Mai 2007 war nichts zu machen. Dauerregen setzte der Bahn zu, ein Fahren war unmöglich. Die Zuschauer mussten, ohne einen Rennlauf gesehen zu haben, den Heimweg antreten.

Für Edelbert Müller ist es fast unglaublich, dass in der schnelllebigen Zeit seit fast 90 Jahren an Christi Himmelfahrt in Herxheim Sandbahnrennen gefahren werden und immer wieder Tausende nach Herxheim strömen. Diese Rennen sind ein Teil der Herxheimer Identität geworden. Die MSVH hofft, dass sie das facettenreiche Geschichtsbuch an Himmelfahrt 2021 fortschreiben kann.

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz Pfälzer Tageblatt – Nr. 117
Datum Mittwoch, den 20. Mai 2020
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